Montag, 24. Oktober 2022

Die guten Frauen von Safe Harbour

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"Die guten Frauen von Safe Harbour"
von Bobbi French
aus dem Englischen von Carina Tessari

erschienen bei: Diederichs
einem Verlag der 
Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
am 31.08.2022

Hardcover
352 Seiten
ISBN: 978-3-424-35124-8
22,00 €

auch erschienen als
E-Book

(Stand: 24.10.2022)

Vielen Dank an das Bloggerportal und den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

Zum Inhalt (Quelle: Verlag):
Frances Delaney kehrt nach vielen Jahren an den Ort ihrer Kindheit zurück. Doch das idyllische neufundländische Fischerdorf Safe Harbour ist nicht nur ein Ort guter Erinnerungen.
Vor allem der Verlust der Freundschaft zu ihrer engsten Freundin Annie, erschütterte Frances zutiefst.
Zusammen mit ihrer Freundin Edie stellt sich Frances den Schatten der Vergangenheit und kann sich nun endlich mit ihrem Leben aussöhnen und bei sich ankommen.
Sie hat nicht mehr viel Zeit.
Atmosphärisch eingebunden in die Kulisse der kargen Landschaft Neufundlands handelt diese kraftvolle Geschichte über Freundschaft und Vergebung. Das Debüt der Psychiaterin Bobbi French erzählt von einer Frau, die sich selbst die Chance gibt zu lieben und geliebt zu werden.
Meine Meinung:
Das Cover von Bobbi Frenchs Debütroman hat mich gleich angesprochen, wenngleich es auch eine fröhlichere Sommerlektüre suggeriert. "Die guten Frauen von Safe Harbour" kommt nicht so leicht und seicht daher, wie man meinen könnte. Doch genau deshalb mochte ich diesen Roman so sehr.

Die Geschichte von Frances ist durchzogen von vielen Schicksalsschlägen. 
Die Themen, welche die Autorin mit in den Roman einbindet, sind sehr vielseitig und teilweise auch ungewöhnlich. Sterbehilfe, ungewollte Schwangerschaft oder Kirche sind nur drei von vielen weiteren wichtigen Dingen, die mit eingebunden wurden. Einige Themen werden sicherlich nur kurz angerissen und finden in einem Roman, wie diesem nicht die notwendige Tiefe, die sie verdienen. Doch wird man zum Nachdenken angeregt. Ich fand es sogar sehr angenehm, dass die Schwere dieser Themenbereiche nicht weiter vertieft wurde. Einen großen Stellenwert nimmt sicherlich auch die Selbstbestimmtheit ein, aber vor allem geht es in Zusammenhang mit Frances Erkrankung und dem nahendem Lebensende um Freundschaft und Vergebung. 
Ihre Freundschaft zu Annie, welche seit ihrer Jugend auf Eis liegt und die ungewöhnliche Freundschaft zu der jungen Edie geben Frances halt und helfen ihr sich mit ihrer Vergangenheit und Familiengeschichte auseinander setzen.

Der flüssige Schreibstil von Bobbi French hat mir sehr gefallen. Da der Roman aus der Sicht von Frances geschrieben ist, konnte ich mich immer sehr einfühlen. Die Beschreibungen ihrer Gefühle und Gedanken, aber auch der Umgebung und Landschaft sind detailliert und in einem angenehmen Maße ausführlich. 
Es werden auch Rückblicke in die gemeinsame Jugend von Frances und Annie gegeben, was einem die Protagonisten noch näher bringt.

Spannung im herkömmlichen Sinn sucht man in diesem Roman vergebens. Fesseln konnte mich die Autorin trotzdem, denn Frances Werdegang und Leben, sowie ihr Umgang mit den aktuellen Lebensumständen ließen mich diesen Roman mit sehr viel Freude, neugierig und begeistert lesen.

Die Zeichnung der Figuren hat mir sehr gefallen. Alle haben Ecken und Kanten, sind mir aber so nah gebracht worden, dass sie mir im Laufe des Leseprozesses sehr ans Herz gewachsen sind. Edie bringt eine gewisse jugendliche Leichtigkeit mit, aber auch der teilweise doch eher schwarze Humor von Frances bringt einen immer wieder mal zum Schmunzeln.

Die Gesamtstimmung des Romans hat mir richtig gut gefallen. Mich hat begeistert, wie gelungen schwere und schwierige Themen bearbeitet und eingebracht wurden, ohne dass es mir die Leichtigkeit beim Lesen genommen hat. "Die guten Frauen von Safe Harbour" hat mich bewegt und trotzdem nicht bedrückt.

Von mir eine klare Leseempfehlung für diesen ersten Roman der in Neufundland geborenen Psychiaterin Bobbi French.



Cover und Illustration              
4 / 5
Story  
5 / 5
Aufbau und Schreibstil 
4 / 5
Spannung und Lesefluss
4 / 5
Hauptfigur /-en
4 / 5
Emotionen  und Stimmung
5 / 5

 



Sonntag, 2. Oktober 2022

Lügen über meine Mutter

  -Beitrag enthält Werbung/Produktplatzierungen-

"Lügen über meine Mutter"
von Daniela Dröscher 

erschienen im 
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KG
am 18.08.2022

als Harcover 
448 Seiten
ISBN: 978-3-462-00199-0
24,00 €

und
Ebook | Hörbuch

(Stand: 02.10.2022)

Vielen Dank an Netgalley.de und den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

Zum Inhalt (Quelle: Verlag):

Daniela Dröscher erzählt vom Aufwachsen in einer Familie, in der ein Thema alles beherrscht: das Körpergewicht der Mutter. Ist diese schöne, eigenwillige, unberechenbare Frau zu dick? Muss sie dringend abnehmen? Ja, das muss sie. Entscheidet ihr Ehemann. Und die Mutter ist dem ausgesetzt, Tag für Tag.
»Lügen über meine Mutter« ist zweierlei zugleich: die Erzählung einer Kindheit im Hunsrück der 1980er, die immer stärker beherrscht wird von der fixen Idee des Vaters, das Übergewicht seiner Frau wäre verantwortlich für alles, was ihm versagt bleibt: die Beförderung, der soziale Aufstieg, die Anerkennung in der Dorfgemeinschaft. Und es ist eine Befragung des Geschehens aus der heutigen Perspektive: Was ist damals wirklich passiert? Was wurde verheimlicht, worüber wurde gelogen? Und was sagt uns das alles über den größeren Zusammenhang: die Gesellschaft, die ständig auf uns einwirkt, ob wir wollen oder nicht?
Schonungslos und eindrücklich lässt Daniela Dröscher ihr kindliches Alter Ego die Jahre, in denen sich dieses  »Kammerspiel namens Familie« abspielte, noch einmal durchleben. Ihr gelingt ein ebenso berührender wie kluger Roman über subtile Gewalt, aber auch über Verantwortung und Fürsorge. Vor allem aber ist dies ein tragik-komisches Buch über eine starke Frau, die nicht aufhört, für die Selbstbestimmung über ihr Leben zu kämpfen. 
Meine Meinung:
(Achtung, kann Spoiler enthalten)
Deutscher Buchpreis 2022. "Lügen über meine Mutter" steht aktuell bereits auf der Short List für den deutschen Buchpreis 2022. Ich habe mir die nominierten Bücher der Longlist angeschaut und inhaltlich fand ich den Roman von Daniela Dröscher am ansprechendsten. Selbst ein Kind der 80er, lese ich gerne auch Bücher, welche in diese Zeitspanne fallen. Zudem spielte auch das Thema "Übergewicht" in meiner Kindheit eine Rolle, glücklicherweise nicht in einer solch erschreckenden und unangemessenen Ausprägung, wie im Roman beschrieben.
Kommen wir zur eigentlichen Rezension des Romans, welche zu verfassen, mir relativ schwer fällt.

Das Cover gefällt mir ganz gut, ist aber nicht so aussagekräftig und originell. Eher unspektakulär. 
Das Thema des Romans hat mich angesprochen, die Umsetzung jedoch hat mir leider nicht so gut gefallen. Dies hat verschiedene Gründe. 

Der Aufbau hat mir noch recht gut gefallen. Neben den Kapiteln, in denen wir aus Elas Sichtweise die familiären Probleme und ihre und die Geschichte ihrer Mutter erzählt bekommen, wurden auch nach fast jedem dieser Kapitel noch Gedanken und Ergänzungen von Ela als Erwachsene Person eingefügt. Der Schreibstil war unkompliziert, fast umgangssprachlich und auch mit Textstellen in Dialekt wurde nicht gegeizt. Viele Anspielungen auf die Kultur der 80er Jahre werden vor allem den jüngeren Lesern nichts sagen. Da ich selbst in dieser Zeit aufgewachsen bin, konnte ich mich doch auch in viele Situationen hineinversetzen und auch mit den für diese Zeit typischen kulturellen Dingen innerhalb des Romans zumindest etwas anfangen.

Die Autorin konnte mich mit der Erzählung zu Beginn doch recht gut in den Bann ziehen. Dies nahm leider mit jedem weiteren Kapitel immer mehr ab. Die düstere Grundstimmung und mein Unverständnis für viele der beschriebenen Handlungen bauten in mir eine Art Abneigung auf. In der Hoffnung auf eine positive Wendung blieb ich jedoch dran. Spannung ergab sich für mich lediglich daraus, zu erfahren, ob Elas Mutter den Absprung aus der patriarchalisch geführten und von Lügen überlagerten Ehe schafft. Die Gelegenheit wurde "verpasst" und das Ende lässt mich unzufrieden zurück. Für mich hat die Erzählung leider nicht wirklich eine positive Aussage. Mit dem tyrannischen Ehemann zusammen zu bleiben, bis die Kinder aus dem Haus sind, ist für mich nicht "die Lösung".  

Die Hauptfiguren konnte ich mir gut vorstellen, vor allem Ela, da aus ihrer Sichtweise geschrieben wurde. Da ihre Eltern lediglich aus ihrer kindlichen Version beschrieben werden, bleiben hier doch auch einige Fragen offen und viele Handlungen sind nicht nachvollziehbar. Was mir nicht gefallen hat, war auch, wie sehr das Kind in dieser Ehe instrumentalisiert wurde. Wie Vaters Einstellung zum Gewicht der Mutter sich auch auf die Tochter projiziert. Wie auch Ela das Essverhalten ihrer Mutter anfängt zu hinterfragen und kritisieren. Welches Bild von einer "angemessenen" Körperstatur Ela bereits vermittelt wurde. 
Mir ist bewusst, dass diese Dinge passieren, auch in anderen Kontexten, aber für einen Roman war mir die Stimmung insgesamt zu negativ. Auch eine positive Wendung habe ich vermisst.
Zudem habe ich mich beim Lesen auch gefragt, ob die beschriebenen Gedanken von Ela tatsächlich altersgemäß sind. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass ich selbst teilweise so gedacht hätte oder viele andere Kinder in diesem Alter so weitgreifende Beobachtungen und Deutungen von Verhaltensweisen vornehmen.
Für mich war der Roman leider insgesamt mit zu vielen (selbst-)zerstörerischen und wiederkehrend abschreckenden Ereignissen durchzogen.

Wen eine negative Stimmung in der für die 80er Jahre nicht unvorstellbaren Geschichte nicht abschreckt; wer Eintauchen will in die patriarchalische Familiengeschichte im ländlichen Umfeld, der kann mit diesem Roman glücklich werden. 


Cover und Illustration              
2,5 / 5
Story  
4 / 5
Aufbau und Schreibstil 
4 / 5
Spannung und Lesefluss
2 / 5
Hauptfigur /-en
2 / 5
Emotionen  und Stimmung
1 / 5